Menü überspringen
Bewerben
JobsJobs
Bewerben

Tabuthema Fehlgeburt

Young medical student with her classmates in university

Denkt man an Hebammen, denkt man meist an eine Geburt als ein bedeutendes, positives Ereignis, an die monatelange Vorfreude werdender Eltern auf ein neues Leben, das bald das Licht der Welt erblickt. Doch in der Realität gibt es auch die traurige Schattenseite: Die Fehlgeburt als häufigste Schwangerschaftskomplikation. Laut den Herausgeberinnen des Buches Hebammenkunde kommt es bei bis zu 30% aller erkannten Schwangerschaften zu Spontanaborten[1]. Die Anzahl von unerkannten Fehlgeburten wird noch viel höher geschätzt. In Österreich spielen Hebammen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Frauen durch diese emotional herausfordernde Zeit zu führen.

Das Thema Fehlgeburt (Abort) bleibt oft im Verborgenen. In viele Familien finden sich häufig unerzählte Geschichten des Verlusts und des Schmerzes, denn es wird selten darüber gesprochen. Dabei ist es wichtig, zu verstehen, dass Fehlgeburten keine Seltenheit sind und dass Frauen, die sie erleben, keine Schuld tragen. Die Unterstützung der Familie, von Freund*innen und von Fachleuten kann einen erheblichen Unterschied machen und den Heilungsprozess unterstützen. „Das emotional anspruchsvolle Thema Fehlgeburt ist ein essenzieller Aspekt der Hebammenarbeit und bekommt daher im Studiengang Hebamme an der FH Gesundheitsberufe OÖ bereits im Studienalltag ausreichend Platz eingeräumt. Dazu werden künftige Hebammen im Rahmen der Lehre sowohl durch Expert*innen aus der Praxis als auch durch das Lehr- und Forschungspersonal bestmöglich auf das Tun, sprich den konkreten Umgang mit betroffenen Frauen und Familien, vorbereitet“, erklärt Mag.a Doris Schildorfer, Mitglied des Lehr- und Forschungspersonals im Studiengang Hebamme an der FH Gesundheitsberufe OÖ.

Psychosoziale Unterstützung

Eine Fehlgeburt kann für Frauen und ihre Partner*innen eine zutiefst traumatische Erfahrung sein. Neben dem Verlust des ungeborenen Kindes müssen sie oft auch mit einer Vielzahl von Emotionen wie Trauer, Schuldgefühlen und Angst umgehen. In diesen Momenten sind Hebammen nicht nur medizinische Fachkräfte, sondern auch einfühlsame Begleiter*innen, die den schmerzhaften Prozess menschlich und fachlich unterstützen. „Nicht zuletzt stellen Hebammen auch wichtige medizinische Informationen bereit. Sie gewährleisten, dass die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse der Mütter, die ihr Kind verloren haben, erfüllt werden“, weiß die Expertin.

Praxisnahes Forschungsprojekt

Vor diesem Hintergrund haben sich die Studierenden des aktuellen Studiengangs Hebamme an der FH Gesundheitsberufe OÖ im Zuge einer Lehrveranstaltung dieser wichtigen Thematik in Form eines Forschungsprojekts gewidmet. Forschungsfrage war, warum das Thema Fehlgeburt häufig nicht offen diskutiert wird. Im Mai 2023 führten sie hierfür 14 leitfadengestützte Interviews mit betroffenen Frauen. Kern der Untersuchung war, wie die von einer sogenannten glücklosen Schwangerschaft betroffenen Mütter mit ihrer Trauer umgehen und ob bzw. wie sie darüber sprechen. Hierdurch bekamen die Studierenden Einblicke in die Gefühlswelt der Frauen. „Dies brachte, neben dem Lernerfolg, auch einen enormen Benefit für den Umgang mit dem tabuisierten Thema in der Praxis. Denn die Antworten geben den Studierenden zum einen relevante Hinweise, wie sie im späteren Beruf als Hebamme diese Frauen besser unterstützen können. Zum anderen werden die Ergebnisse der Studie, die in Kürze publiziert werden, in die Lehre am Studiengang Hebamme einfließen“, erklärt Mag.a Sarah Christl-Sebinger BSc. Mitglied des Lehr- und Forschungspersonals im Studiengang Hebamme an der FH Gesundheitsberufe OÖ.


Gemäß österreichischem Hebammengesetz sind Hebammen integraler Bestandteil des Gesundheitssystems und bieten eine breite Palette von Dienstleistungen an, die über die Geburtsbegleitung hinausgehen. So ist, neben der Betreuung während der Wochenbett- und Stillzeit, auch die Unterstützung von Frauen, die eine Fehlgeburt erleben, ein Teilbereich der Arbeit einer Hebamme.

1(Stiefel, Brendel, Bauer (Hrsg.): Hebammenkunde, 6., aktualisierte und erweiterte Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, 2020. S 414)