Sprachentwicklungsstörung – ist mein Kind betroffen?
Die ersten gesprochenen Worte des Nachwuchses lösen bei Eltern immer riesige Glücksgefühle aus: Wenn die verbale Kommunikation in Gang kommt, einzelne Wörter geplappert sowie nach und nach erste Wort-Kombinationen gebildet werden und auch das Sprachverständnis altersentsprechend wächst, ist die Freude groß. Bei zehn Prozent aller Kinder funktioniert dies jedoch nicht so gut, sie sind von einer so genannten Sprachentwicklungsstörung betroffen. Logopäd*innen, wie sie z. B. an der FH Gesundheitsberufe OÖ ausgebildet werden, sind für diese Familien eine wertvolle Unterstützung, um therapeutisch die sprachliche Entwicklung des Kindes in „richtige Bahnen“ zu lenken.
Ein Fallbeispiel: Moritz, 4 Jahre, kommt mit seiner Mutter in die logopädische Praxis. Er spricht statt „sch“ immer „s“, sagt also „Sokolade“ statt „Schokolade“. Dies bereitet der Mutter Sorgen. Nach einer fundierten Diagnostik in spielerischer Form klärt die Logopädin die Mutter auf, dass sich dieser Laut bis zum fünften Geburtstag noch entwickeln kann und derzeit keine Therapie notwendig ist. Zusätzlich gibt sie der Familie Tipps, wie die Entdeckung eines neuen Lautes unterstützt werden kann – etwa das „Sch“ beim Vorlesen länger und deutlicher zu sprechen, um es für Moritz hervorzuheben.
„Nicht jede sprachliche Auffälligkeit ist eine Störung der Sprachentwicklung“, beruhigt Doris Detter-Biesl, BSc MSc, Mitglied des Lehr- und Forschungspersonals im Studiengang Logopädie an der FH Gesundheitsberufe OÖ, und erklärt: „Jedes Kind erwirbt die Sprache unterschiedlich schnell. Dennoch gibt es Orientierungspunkte. So kommt das erste Wort meist um den ersten Geburtstag. Am Ende des zweiten Lebensjahres sprechen Kinder bereits mindestens rund 50 Wörter und kombinieren diese miteinander (z. B.: „bitte Saft“, „Auto da“). Ab dem dritten Geburtstag sprechen sie schon in Sätzen und ab dem fünften Geburtstag können sie in der Regel alle Laute korrekt sprechen.“
Abweichungen, die auf eine Sprachentwicklungsstörung hinweisen können, treten in unterschiedlichen Bereichen auf: So gibt es Kinder, die gewisse Wörter nicht verstehen (Sprachverständnis) oder sich nicht merken können bzw. die nur wenige Wörter im Alltag benutzen (Wortschatz). Ebenso gehören Probleme beim Formulieren von Sätzen oder Fragen (Grammatik) dazu und auch Schwierigkeiten beim Lauterwerb (z. B. „Holler“ statt „Roller, „Tuh“ statt „Kuh“ etc.). „Wichtig ist es, zu wissen, dass eine Sprachentwicklungsstörung sich nicht ‚einfach auswächst‘. Diese Annahme ist noch immer weit verbreitet. Auch liegt es nicht daran, dass die Eltern zu wenig mit ihrem Kind gesprochen haben, wie oft kolportiert wird. Letztendlich kann nur durch eine umfassende logopädische Diagnostik festgestellt werden, ob es sich um eine im Rahmen der Entwicklung liegende Varianz im natürlichen Spracherwerb oder tatsächlich um eine Sprachentwicklungsstörung handelt“, betont Marlene Krenmüller, Mitglied des Lehr- und Forschungspersonals mit dem Fachbereich Kindersprache. Sie bietet an der FH Gesundheitsberufe OÖ für Logopädie-Studierende ein sehr gefragtes Kasuistik-Seminar an, das sich ausschließlich um Fallbeispiele kindlicher Sprachentwicklungsstörungen aus der Praxis dreht.
Bei der logopädischen Diagnostik kommen verschiedene Techniken zum Einsatz, z. B. Tests oder auch Verhaltensbeobachtungen im Spiel. Hierdurch lässt sich erkennen, was das Kind bereits gut kann und welche Entwicklungsschritte als nächstes folgen sollten. Eltern werden in einem Beratungsgespräch über die logopädische Diagnose und die vorgesehenen Therapieinhalte informiert, um das Kind gemeinsam bestmöglich zu begleiten. Nach Möglichkeit wird eine Therapiemethode ausgewählt, deren Effektivität in Studien nachgewiesen wurde. Da Kinder im Spiel lernen, wird der logopädische Input immer in spielerischer Form angeboten.
Die beiden Logopädie-Expertinnen der FH Gesundheitsberufe OÖ sind, neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit, zudem seit einem Jahr RADLD-Botschafterinnen für Österreich. RADLD (Raising Awareness of Developmental Language Disorder) ist eine ehrenamtliche Vereinigung internationaler Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis, die über Sprachentwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter aufklärt. Somit fließen kontinuierlich neueste Erkenntnisse in den Studiengang Logopädie an der FH Gesundheitsberufe OÖ ein.
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Fachlicher Kontakt
Doris Detter-Biesl BSc MSc
Mitglied des Lehr- und Forschungspersonals, Marketingkoordination, Forschungskoordination